23.02.2023 Ein Blick nach vorn – Besonders für den Besucher und die Kunstaktiv-Urlauberin aus Großstädten beschert der Aufenthalt in Willingshausen nicht alleine ein ungewöhnliches Eintauchen in kunstgeschichtliche Gefilde der Malerei und Teilnahme an verschiedenen Aktivkursen. Es ist zugleich ein Erlebnis in einer reizvoller Kulturlandschaft mit Erkundungsgängen, die im Rahmenprogramm gleichermaßen kontrastierend wie bewegungsorientiert ein besonderes Erlebnis beschert. Am Beginn des abrufbaren Angebots von Sternbald ART-Travelling steht ein Abholservice für mit der Bahn Anreisende am Bahnhof Neustadt, nahe gelegen ganz im Osten des Nachbarlandkreises Marburg-Biedenkopf.
Die Ankommenden haben hier die Wahl in den Kleinbus einzusteigen um per Shuttle-Service die überschaubare Strecke von 5 Kilometern weitgehend durch Buchenmischwald zu durchqueren. Viele machen von dem Angebot Gebrauch ihr Gepäck zu verladen und nur für 2 Kilometer Richtung Willingshausen bis zum Waldrand mitzufahren. Danach geht es zu Fuß weiter auf der von Laubbäumen gesäumten schmalen Landstraße mit kundiger Führung.
Diesen Weg haben nach 1850 mit Fertigstellung der Main-Weser-Bahn zwischen Frankfurt und Kassel bereits viele Maler genommen. Deren Zahl hat bis zum Ersten Weltkrieg von Düsseldorf, Frankfurt und Dresden kommend in der Blütezeit der Malerkolonie Willingshausen stetig zugenommen. Die allmähliche Annäherung auf Schusters Rappen auf schmaler Landstraße bedeutete in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert für Maler ebenso nachdrückliche Naturimpressionen wie für heutige Kulturtouristen.
Beinahe wie in einem Hohlweg, wieder von Bäumen gesäumt, kommt Willingshausen näher. Auf der linken Seite erhebt sich in großem Gartengrundstück am Hang das Atelierhaus des Malers Wilhelm Thielmann. Die Besichtigung komme später dran, sagt der freundliche Kunsterlebnis-Lotse. Einen Willkommenstrunk habe sich jede/r allerdings verdient. Dabei wird eine gefaltete Karte übergeben, in der sich zugleich das Programm mit den verschiedenen Örtlichkeiten der kommenden 3 Tage findet. Bis zum Hof des Gerhardt-von-Reutern-Hauses vor der Kunsthalle ist es ein kurzer Weg und dort erfahren die Gäste mehr zum Ablauf und Angeboten des von ihnen gebuchten Kunsterlebnis-Wochenendes.
Museum Malerstübchen und Exkursion
Die fußläufig aus Neustadt eingetroffenen Kulturaktiv-Urlauber beginnen den Rundgang im Museum Malerstübchen Willingshausen mit einigem Wissensvorsprung. Es werden vielfältige Informationen in Wort und Bild und reizvoll inszenierten Multivisionen zur vormaligen Malerkolonie geboten, Essentials beim Rundgang in der oberen Etage. Wer will, kann sich Vertiefungen und spezielle Themen an verschiedenen interaktiven Bildschirmen und Wandprojektionen selbst abrufen.
Das rund um das mit Original-Mobiliar erhaltene Malerstübchen, in dem die Maler dereinst in illustrer Runde ihren Feierabend gemeinsam verbrachten, an Wänden zahlreiche Original-Gemälde präsentiert werden, gibt dem Museumsbesuch die gehörige Authentizität.
Auf diese wartet in Willingshausen ein pralles 3-Tage-Programm mit Eintauchen in die Kunst- und Malereigeschichte samt eigenhändiger kreativer Erprobungen. Die knappe Stunde Fußweg zunächst durch Wald, dann durch die Feldflur mit reizvollem Ausblick über das Antrefftal mit der näher rückenden Ortslage bis hin zu den Höhen des Knüllgebirges im Osten gerät ausgesprochen kurzweilig.
Denn der begleitende Kunsterlebnis-Lotse weiß kundig zu berichten aus lange vergangenen Tagen als mit Ludwig Knaus, Adolf Lins und Carl Bantzer sich von den großstädtischen Akademien aufmachten um „Land und Leuten auf der Schwalm“ nahe zu kommen. So verwundert es nicht, wenn unterwegs bereits bekannte Gemälde wie etwa „Der Waldreiter“ oder „Frühlingsspaziergang“ von Carl Bantzer zum Blick auf den Bildschirm des Tabletts kurz gezeigt und im Zeitsprung von eineinhalb Jahrhunderten in der originalen Landschaft ihrer Entstehung Thema werden.
Am Sonntag hat man die Auswahl zwischen einem Kurzausflug wahlweise nach Marburg in Kunstmuseum oder nach Kassel in die Neue Galerie. Dort sind Werke von Willingshäuser Malern Teil der ständigen Ausstellung. Manch einer zieht jedoch den kürzeren Weg ins benachbarte Schrecksbach-Holzburg oder Schwalmstadt-Ziegenhain vor, wo vergangenes Dorfleben und Kultur der Schwalm in Museen präsentiert werden.
Kunstausstellungen und Kunstkurse
Immer wieder berichten Besucher und Teilnehmer/innen von der besonderen Mischung in Willingshausen. Dazu gehören verschiedene Kreativkurse mit bildnerischen Techniken des Zeichnens und Malens oder auch Modellieren mit Ton oder anderen Materialien. Die Kompaktangebote von zwei oder drei Mal 90 Minuten sind sehr verdichtet. Doch gefällt und funktioniert die Verknüpfung zwischen Anschauung traditioneller Malerei von Willingshäuser Meistern und eigenen Versuchen bildnerischer Skizzierung und Darstellung mit Stift und Papier, Pinsel und Leinwand, eigenhändigen Erdfarben oder plastisch-figürlich mit Ton.
Nach dem Museumsbesuch gehört der Besuch der je laufenden Ausstellung im Kulturhaus AnTreff, in der Kunsthalle oder in der Neustädter Sieben zum Rahmenprogramm.
Dort erwartet meist zeitgenössische Kunstschaffen, oft von Freizeitmalern, auf Besucher. Eine Besichtigung des Atelierhaus Thielmann am Ortsrand in der Neustädter Straße, den fußläufig im Ort eingetroffenen Drei-Tage-Besuchern bereits bekannt, setzt andere Eindrücke. Im vormaligen Atelierraum des bekannten Zeichners und Malers Wilhelm Thielmann werden Schaffen und hinterlassene Werk dieses vielseitigen Willingshäuser Künstlers anschaulich.
Fotokamera und Skizzenblock auf dem KuKuksweg
Die umgebende Kulturlandschaft oftmals mit bäuerlichen Menschen war anziehendes Motiv für die Maler. Ein Stück weit Vergegenwärtigung leistet der KuKuksweg in Willingshausen. In der Ortslage lassen sich neben Dorfkirche und kleinem Schlossgebäude der Familie von Schwertzell erhaltene Fachwerkbauten oberhalb der Dillmark in enger Staffelung erlaufen.
Auf großformatigen Staffeleien finden sich Reproduktionen überlieferter Gemälde am exakten Entstehungsort. Mitunter ähnlich, mitunter stark verändert und überformt, lädt der Rundgang zum Erleben von Erhaltenem und verändernden Eingriffen. Wer will, kann mit Fotoapparat, wozu sich nun einmal längst auch die Smartphones erhoben haben, auf Motivsuche gehen.
Manch eine/r versucht sich mit Bleistift oder Kohle auf Skizzenpapier. Anreiz dafür schafft eine kleine Werk-Galerie von früheren Besuchern, der Skizzen oder Fotografien diesbezüglich stimulierend wirkt.
Das Drei-Tage-Programm (auch als Wochenprogramm mit ausführlichem Angebotsteil buchbar) in Willingshausen ist nicht für die Hängematte und fordert einiges Interesse und Beteiligung. Die Quartiere sind verteilt in Gästezimmern, teils in anderen dörflichen Ortsteilen, auch im Hotel Bechtel in Willingshausen-Zella. Shuttle-Service bringt und holt, was nützlich ist und abendliche Teilnahme am „Langen Tisch“ möglich macht.
Regionale Küche in Schwälmer Art – Biokost und „Haaße Bier“
Wer bei diesem Namen an den vormaligen Gastwirte Haase denkt, bei dem dereinst die Maler eingekehrt sind, beweist, dass er gut zugehört hat zur früheren Malerkolonie. Das heimische Bier der Marke „Schwalm-Bräu“ kommt allerdings aus dem Nachbarort Treysa, wo die Brauerfamilie Haass seit mehreren Generationen ansässig ist. Es gibt viel zu erzählen bei der abendlichen Tafelei, die abwechselnd und in der „Gürre Stube“ und an anderen Orten angeboten wird.
Von den weiblichen und männlichen Kunsterlebnis-Lotsen in Willingshausen wird berichtet, dass viele Erstbesucher/innen ein wenig erschöpft abreisen mit der Ansage, dass sie wiederkommen wollen. Nicht wenige würden dann ein Wochenprogramm buchen, um es ein wenig ruhiger angehen lassen zu können. Es bietet sich die Belegung von mehrtägigen Kursen in Zeichnen und Malen an
So gelingt in Willingshausen eine Verknüpfung von Kunstbetrachtung mit kunsthistorischer Unterlegung zur Geschichte der Malerkolonie mit künstlerisch-kreativer Betätigung. Das Kunsterlebnis-Wochenende ist idealer Einstieg. Wie erzählt wird, nehmen beinahe alle Besucher für ihre Rückfahrt via Bahnhof Neustadt den Shuttle-Bus nur zum Gepäcktransport. Den Weg aus dem Ort und durch den Buchenwald auf den eigenen Füßen wie die vormals Maler wollen sie nicht auslassen.