Zur Malerin Marianne Heinemann – Bilder aus einem Nachlass

Selbstportrait von Marianne Heinemann als junge Malerin, Ausschnitt.

19.06.2023 | Im Juni und Juli 2023 wird in der Kunsthalle Willingshausen eine Austellung mit Arbeiten von Marianne Heinemann und von Günter Heinemann gezeigt. Bereits im Vorfeld dieser Präsentation ohne kunsthistorischen Hintergrund und Kompetenz seitens der Verantwortlichen wurden mehrere Angebote zu einer Kooperation abgelehnt. Eine Nichte der im Mai 2023 im Alter von 107 verstorbenen Künstlerin ist am Zustandekommen der Präsentation beteiligt,  die Willingshausen Touristik firmiert dafür verantwortlich. Mit Vorankündigungen der Ausstellung in mehreren Medien ist bereits eine Verzeichnung, Verfälschung und Verballhornung sowohl des Lebens (Vita) wie des Œuvres des Künstlerpaares betrieben worden.

Umso wichtiger wären und sind seriöse Veröffentlichungen zu diesen beiden letzten Künstlern in Willingshausen. Es existieren bislang wenige und knappe Veröffentlichungen. Zu Günter Heinemann hat es in Bad Wildungen 1996 eine Ausstellung gegeben, zu der ein kleiner Katalog mit einem Textbeitrag von Claudia Tusch erschienen ist. Eine umfassende Darstellung von Leben, Werk und Wirken der letzten beiden Willingshäuser Künstler steht aus. Die Ausstellung in der Kunsthalle verfehlt dies um Lichtjahre, gibt sich ungeniert ignorant und anmaßend mit dem Untertitel „Malerei im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne“.

So ist es interessant, den Blick auf drei Werke von Marianne Heinemann zu werfen, die aktuell in einem Nachlass aufgetaucht sind. Die Bilder, ein Aquarell aus 1942, ein Ölbild aus 1979 und ein kleinformatiges Ölbild aus 1985, zeigen sehr unterschiedliche Sujets und Malstile.

Marianne Thielmann „Winter in Willingshausen“ Aquarell 1942. Veröffentlicht 1975 in der Kunstmappe „Die Malerkolonie Willingshausen 2“ im Verlag von Fritz Lometsch, Kassel

Das Aquarell „Winter in Willingshausen“ ist 1942 entstanden und ist unten links gut lesbar von der Künstlerin gesiegelt mit „M.Thielmann 1942“. Es fällt nicht schwer darin ein typisches Werk von ihr auszumachen, ausgeführt in Stil der „Neuen Sachlichkeit“. Das Bild lässt sich als charakteristisch für Marianne Heinemanns Malweise bezeichnen. Im Buch „Künstlerkolonie Willingshausen“ von Bernd Küster, Fischerhude 2006, findet sich ein namensgleiches Aquarell aus dem Jahr 1941 veröffentlicht. Der Vergleich zeigt viel Übereinstimmung in der Malweise und teilweise im Sujet, der Perspektive und (Landschafts-)Darstellung. Kurzum, zu Heinemann als „Malerin der Neuen Schachlichtkeit“ existieren verschiedene und vergleichbare Werke, meistens als Aquarelle ausgeführt.

Damit ist hier das Frühwerk der Künstlerin, wenn auch nur ansatzweise, belegt. Interessant wird es weitere Werke von Marianne Heinemann zu betrachten. Dazu kann gehören ihre spätetens 1949 begonnene Serie mit Darstellungen zur Schwälmer Tracht, die mit 16 Motiven als Mappe in den 1970iger Jahren und später im Buchformat veröffentlicht worden ist. Zweifellos zeigt sich darin eine Handschrift der Künstlerin, in der mit Blick auf eine dokumentierende Darstellung der untergegangenen Trachtenkleidung bestimmte Stilmittel eingesetzt wurden. Dies soll Gegenstand einer vertiefenden Darstellung später werden.

In 1979 entstanden ist das Bild von Marianne „Mädchen in Schwälmer Tracht auf Holzsteg“, ausgeführt in Öl auf Leinwand. Privatbesitz. Sternbald-Reproduktion

Einen Zeitsprung von beinahe vier Jahrzehnten später beschreibt das Ölbild „Mädchen in Schwälmer Tracht auf Holzsteg“, Öl auf Leinwand aus dem Jahr 1979. Damit liegt ein Bild aus dem Spätwerk der Malerin vor. Sichtbar sind viele Unterschiede zu dem Winterbild. In diesem Frühlingsmotiv mit noch kahlen Ästen von Laubbäumen zeigt sich die Darstellung der Bäume vergleichbar zu dem Winterbild aus 1942. Insgesamt vermittelt sich ein anderer Gesamteindruck ohne offene Perspektive auf die Landschaft, zudem mit der leicht stilisierenden Darstellung des nach unten blickenden Mädchens mit Konnotation von nachdenklicher Stimmung. Dass es sich um Werk von Marianne Heinemann handelt, ist zugleich erkennbar und würde niemand bestreiten können.

Diese beiden Gemälde der Künsterin, einmal aus dem Frühwerk und das zweite aus dem Spätwerk, offenbaren ein ausgeprägtes Spannungsverhältnis, und eine weitgehende Abwendung von der Malweise der Neuen Sachlichkeit. Damit wird es interessant das Augenmerk auf das dritte Bild aus dem Nachlass zu richten. Es ist kleinformatig, hat die Größe einer Ansichtskarte und ist ausgeführt in Öl auf Pappe.

„Heinemann 85“ findet sich auf diesem Ölbild rechts unten als Künstlersignatur. Mit den Maßen von 14,7 x 9,9 cm lässt es sich als Miniaturgemälde bezeichnen. Sternbald-Reproduktion

Das Bild ist gefällig, zeigt eine deutliche (spät-)impressionistische Malweise, die zugleich von einem pastösen Farbauftrag beinahe schon wieder überlagert und transzendiert wird. „Heinemann 85“  findet sich unten rechts signiert und damit ein recht eindeutiger Hinweis auf die Urheberschaft von Marianne Heinmann.

Das kleine Ölbild kann und muss überraschen. Es finden sich keine der Charakteristika der Malweise der Künstlerin mit ihren Merkmalen. Zudem ist ein Umgang mit Farbe wie hier von ihr nicht bekannt. Es gibt womöglich keine anderen Bilder mit einer solchen Pinselführung und Motivik. Insofern stellt sich Frage nach einer anderen (Malweise von) Marianne Heinemann mit einiger Berechtigung. Ein Hinweis kann sich aus dem kleinen Format in der Größe einer Ansichtskarte ergeben. Dieses Format lässt eine Einordnung als Ölstudie oder Malskizze zutreffender sein als eine Klassifizierung als „Werk“ oder gar „Ölbild“. Mithin kommen Fragen und Überlegungen über Spektrum und Spannweite der Malerei von Marianne Heinemann in Sichtweite. Auch in vielen von ihr ausgeführten Portraits, insbesondere solchen von Kindern, hat sie eine eher herkömmliche Malweise bevorzugt. Dass solche Auftragsarbeiten mit oft bestimmten Erwartungshaltungen verbunden waren, ist evident.

Die Blumenwiese mit Mädchen in Sujekt und Stimmung als reizvolles Ölbild  beinhaltet den Impetus das Werk von Marianne Heinemann endlich einmal im Sinn einer Werkbetrachtung und idealiter einer Werkausstellung  zur Kenntnis zu bringen und der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Bedauerlicher Weise wird dies von der derzeitigen Ausstellung in der Kunsthalle Willingshausen völlig übergangen. Es gibt es lediglich eine schmale mit Fehlern einhergehende flache Präsentation zu sehen. Eine solche anmaßende Zumutung für Publikum und Öffentlichkeit im Todesjahr der Künstlerin anzubieten, kann nur als in jeder Weise unverantwortlich bezeichnet werden.

In ähnlicher Weise gilt dies für dem fehlerhaften Umgang mit dem Werk von Günter Heinemann in dieser „Kunstausstellung“. Wer zu dem Sgraffito-Künstler Günter Heinemann mehr sehen und erfahren will, hat dafür in Willingshausen im Kulturhaus AnTreff bis 15. Juli Gelegenheit in Gestalt einer interessanten Foto-Dokumentation.